Saturday, April 02, 2011



berliner wirtschaftsgespräche e.V. . Alt Moabit 82, 3.Etage, . 10555 Berlin


Berlin 2020: Fit für die Zukunft? Wie steht es um unsere zukünftige Kulturlandschaft?


Die bis dato gezahlten Zuschüsse von 8,1 Milliarden Euro an deutsche Kulturinstitutionen werden laut Medienberichten in den kommenden zehn Jahren um acht bis zehn Prozent sinken. Bei gleichzeitig steigenden Kosten wären dann bis zu zehn Prozent der Einrichtungen von Schließungen bedroht. Wird hier aber an der falschen Stelle gespart? Denn auf der anderen Seite steigt die Nachfrage nach Leistungen aus dem Kreativ- und Kulturbereich – vor allem im Bereich Werbung, Software und Design - stetig. Allein in den letzten zehn Jahren hat sie sich mehr als verdoppelt. Dies bedeutet, dass der Markt mit Kreativ- und Kulturprodukten ein Markt der Zukunft ist und nicht zuletzt vielen als Einkommensquelle dient. Attraktiv ist er nicht nur für kleine Selbstständige, sondern auch für größere Unternehmen. Wie einst einzelne Regionen um Industriestandorte buhlten, so versuchen sie nun dem Kultur- und Kreativmarkt einen idealen Nährboden zu bereiten, um im Wettstreit der wirtschaftlichen Entwicklung eine weitere Säule des Dienstleistungssektors auszubauen. Aber wie jeder Markt ist auch der der Kultur- und Kreativprodukte umkämpft. Ein Wachstumspotential kann nur in denjenigen Regionen stattfinden, die bereits im Wettbewerb sind und ein ideales, dynamisches kreativwirtschaftliches Cluster haben. Wie steht es dabei im internationalen Vergleich um Berlin? Ist die Stadt bereit, diesen Kampf aufzunehmen und bietet sie einen geeigneten Nährboden für die Kreativ- und Kulturwirtschaft? Integriert sie „Freischaffende“ aus den genanten Bereichen in die gesellschaftlichen Solidaritätsstrukturen und kann sie den momentanen Zuspruch dieser Gesellschaftsgruppe in die Zukunft transportieren? Hierüber wollen wir diskutieren mit: Podium: Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister Berlin Beral Madra, BM Contemporary Art Center Istanbul Dr. Volker Hassemer, Senator a.D. Anna Lyrevik Malmö Kulturstöd, Schweden Moderation: Prof. Claudia Lux Zentral- und Landesbibliothek Berlin-Brandenburg Begrüßung: Dr. Rudolf Steinke Vorstand der Berliner Wirtschaftsgespräche e.V. Datum: 30. März 2011, 11 Uhr Ort: Deutsche Kreditbank - Taubenstraße 7-9 - 10117 Berlin

Beitrag zum Podium von Beral Madra


Es ist erfreuend dass wir über die Zukunft, über Kultur und Kreativität sprechen. Weltpolitische Angst, große Misstrauen und Täuschung die mit Gefühlen der Hoffnungslosigkeit verbindet ist, ist überall. Und gerade Kultur und Kunst sind die bedeutungsvollen Bereiche für den Wohlstand der Welt. Politiker, Wirtschaftsleute, Bürokraten nennen Kunst und Kultur „Geistiges Kapital“ und Kulturindustrie als eine Kraftquelle für die Ökonomie. Nachdem viele Theoretiker in mehreren Büchern und Schriften angedeutet haben, dass das kulturelle Kapital wie das soziale und ökonomische Kapital die soziale Struktur beeinflusst und bestimmt, ist es selbstverständlich. Nachdem die Kunstmarkt ohne Krise ist, ist es selbstverständlich. Man hat die modernistische Erkenntnis, dass Kunst und Kultur isoliert hat, endlich aufgegeben. Jetzt ist die Motto: „Kunst ist geistiges Kapital“. Jedoch gibt es andere Meinungen in EU. Der Italienische Finanzminister Giulio Tremonti hat “Man kann Kunst nicht essen” gesagt, nachdem er drastische Kürzungen in Kunst-Etats gemacht hat. Man kann auch nicht erstaunen dass, ein ehemaliger CEO von Mac Donalds Mario Resca jetzt in Kulturministerium arbeitet. Also manche Länder sind noch im 20.Jahrhundert geblieben.

Wie war Kultur Charakter im 20. Jahrhundert? Künstlich, Identität Lücke, Bürokratisch, Introvertiert, Standardisiert Hegemonische Einstellung, Europazentrisch Wie ist es jetzt? Kultur Charakter in 21. Jahrhundert? Identität Orientiert, Unternehmer Geist, Treue an Prinzipien, Langfristiges Denken, Haltbarkeit, Innovative Einstellung, Interkulturelle Dialog, Rücksichtnahme und Respekt.

Ich beobachte diese positive Entwicklung in verschiedenen Stadien überall. Von unserem Blickpunkt ausgesehen ist die Kulturstruktur und Politik in Deutschland ist sehr fortgeschritten und als Modell angesehen. Sehr früh haben die Institutionen hier der interkulturelle Dialog berücksichtigt und die Gegenseitigkeit der Kulturen als Hauptkonzept angenommen. Gleich nach der Vereinigung haben wir hier die erste Ausstellung der Künstler/innen aus der Türkei gemacht. Eine sachliche Beschreibung der Kulturpolitik und Kulturökonomie in der Türkei erklärt warum Berlin ein Modell ist. Diese Beschreibung ist mehr oder weniger für die ganze Region östlich von Wien gültig. Die Förderung von Kunst und Kultur, im Sinne der Unterstützung des Kreativen Individuums steht noch nicht so dringend im Mittelpunkt der Kulturpolitik der Türkei. Die Wirtschaft befördert die Kunst mit Privatmuseen. Gegenwärtige Unterstützung der Projekte sind mehr von den EU Fonds gesichert als von der Türkei. Die Frage ist wie Entwickelt sich die bildende Kunst und Kultur ohne offiziellen Beitrag? Mit der Energie und Großzügigkeit der Künstler. Die Kulturförderung ist nach dem Grundgesetz in erster Linie Sache des Kulturministeriums, das jetzt auch Tourismus betreut. Das ist eine Verwirrung im Sinne der Verteilung der Aufmerksamkeit und Finanzen erzeugt.

In 2010 der Staat hat Kunst und Kultur mit 507 Millionen EURO finanziert. Nur Historische Kulturerbe, Orchester, Ballet, Theater, Oper, Bildende Kunst Galerien inbegriffen. Diese sind kulturelle Einrichtungen, die die offizielle Moderne der Türkei repräsentieren und noch die nationale Bedeutung haben. Eine Post-Moderne Umformung ist noch nicht ermöglicht. Eine besondere Rolle in der zeitgenössischen Kunst und Kultur spielt das kulturelle Leben in Istanbul. Istanbul ist eine wichtige Verbindungs- und Netzwerk-Ort für zeitgenössische Kunst in einer geo-politischer Milieu und Sphäre, die damals als Peripherie genannt wurde und jetzt ins Zentrum geordnet ist. Die meist internationalen aber auch lokalen privaten Konzerne bestimmen die Makro-Ebene der Kunstszenen in der Gegend und damit auch die Form und Ästhetik der Kunst, so dass z.B die Malerei als Favorit im Markt vorspringt. Es scheint so aus, dass auch außer EU ein Kunstboom und ein Museumsboom stattfinden. Der private Konzern hat „die zeitgenössische Kunst“ als eine de facto Image bewilligt und das Privatmuseum und Kunstzentrum Phänomen verwirklicht. Diese Privat Museen und Zentren erfüllen das Bedürfnis der Publikumsorte für Kunst und Kultur. Dann ist die Frage, welche Bilder beliebt sind und Anerkennung finden? Wie frei sind die Künstler/innen in ihren Aussagen und Formen?

In der Mikro Ebene entsteht die prägnante Kunst. Die Künstler/innen sind stark politisch und dissident. Es gibt viele Beispiele, die die Künstlerinnen als Ordnung-Störer definieren, oder nur als Handwerker bezeichnen. Die zeitgenössische Kunst und zusammenhängende Erzeugnisse sind nicht so nachdrücklich in der Agenda der Bevölkerung. Die Event- und Populärkultur Stars sind „Künstler/innen“ genannt und wahrgenommen. Offiziellen Kunst und Kulturzentren sind seit Ende 90’er Jahre in den über 20 von 39 Gemeinden von Istanbul gegründet. Ideologie, Inhalt, Konzept, Program und Publikum dieser beiden Infrastrukturen sind ziemlich verschieden aber beide monopolisierend, in dem Sinne, dass sie in die Inhalte und Form eingreifen.

Wieder muss man fragen was mit der Kunst in diesen privatisierten oder politisierten Institutionen passiert? Verliert die Kunst ihre Besonderheit? Oder ist die Kunst ausgehöhlt? Diese Frage ist sehr mit den resistierenden, demokratisch unterstützten Künstler- und Kunst-Experte Profil und zusammenhängende Gemeinschaften abhängig. Je mehr die Künstler privat oder offiziell finanziell ohne Befangenheit unterstützt sind, und je mehr die Markt sich international entwickelt desto mehr ist die Kunstproduktion reich im Inhalt und Form. Hier muss man kräftig unterstreichen dass das Symbolische Kapital oder Imaginäre Ökonomie sehr lukrativ und sorgfältig behandelt sein soll. Die Staatshaushalt-Experten müssen über die Kunst und Kultur Industrie eingehend aufgeklärt sein. Unter den politisch-soziologischen und ökonomischen Bedingungen in der Region leidet die Kunst-und Kulturindustrie sehr stark. Was als kreative oder als theoretische Produktion erzeugt ist, wird durch sehr enge Finanzen und meist durch die EU Fonds erzeugt.

In diesem Sinne war Istanbul 2010 ECOC Etat eine sehr opulente Subvention in die Szene, die mit über 600 realisierten Projekten exorbitant ist und viel Optimismus geschaffen hat. Die Nachhaltigkeit ist noch offen. Es ist nicht so wie in EU, dass die Etats in der Region in einer vernünftigen Weise gekürzt sind; es gibt keine operative Förderung, die Rahmenbedingungen für die Entfaltung von Kunst und Kultur zu verbessern und weiterzuentwickeln, oder in die kompetitive Ebene aufheben. Es gibt sehr geringe Möglichkeiten die Politiker und die Bürokratie zu überzeugen, dass sie die Imaginäre Ökonomie erst zu nehmen. Die Frage ist, gibt es eine Hoffnung wenn die autokratische Staatsstruktur, die Neo-Liberalismus extrem ausgeartet hat und all Abarten der Monopolisierung ausgeübt hat, allmählich und eventuell zugrunde geht, die neue Struktur die Imaginäre Ökonomie in das neue Programm einbettet. Was soll man noch berücksichtigen, um die jetzige Konstellation aufzufrischen und die zukünftige Bedürfnisse und Forderungen von heute aus zu erfüllen?

1.Laufende Subvention für die junge Künstler/innen und der eingeborenen (lokal-regional-traditionell) Unternehmen und kulturellen Einstellungen

2.Korrelation (Beziehung) zwischen kulturellen Erneuerungen/Innovationen und ökonomischen Infrastrukturen und Systemen

3.Kulturkapital als eine ökonomische Hebelwirkung verankern

4.Internationale kulturelle Beziehungen auf Basis der Gegenseitigkeit und Einfühlungsvermögen ausführen

5.Nationale Kulturelle Inventar und Gedächtnis von der nationalistischen Ideologien befreien und als weltlich-geistige Reichtum behandeln

6.Die kulturellen Mittel, Methoden und Prozesse, deren Auswirkung für die Integrität der Gesellschaft als positiv bewiesen ist, zu den problematischen Kultur-Zonen großzügig anbieten.

7.Die Planung des Kulturkapitals für die Zukunft muss unter Gleichberechtigung der Parteien (Künstler, Kunstfachleute, Politiker, Wirtschaftsleute) ausgeführt werden. Stereotypische Machtspiele verderben jegliche Vision und Synergie, die hier unvermeidlich sind.


Fotos: An entrance at Chaussestrasse, Berlin; Karin Sander, at N.B.K